TELE 5
war Familie. Ich stiess per Zufall dazu, als ein grosser, hagerer,
weisshaariger Engländer namens Malcolm Thomson, mit tiefer
Baritonstimme bei mir anrief und mir einen Vorstellungstermin gab.
Er hatte mich im Fernsehen bei "FiB" im Fensterprogramm
beim BR als Moderatorin gesehen, suchte eine 'witzige, lebendige
Plaudertasche" für eine Sportsendung bei TELE 5 und fand, ich könnte
passen. (Ich hatte im Vorjahr bereits einmal bei
"Music-Box" ein Casting mitgemacht und jämmerlich,
peinlichst "versagt", als ich mich selbst englisch
sprechen hörte. Das machte mich so verwirrt, dass ich eine Art
"Hirnvacuum" bekam- verrückt, denn ich bin 2sprachig,
hatte mich aber noch nie gehört und war völlig platt)... Wir,
Malcolm und ich, trafen uns also im Cafe um die Ecke, verstanden uns
sofort prächtig- obwohl eine gemeinsame Sprache uns doch beträchtlich
entzweit. (Ich USA, er GB!).... wegen meiner Sprachkenntnisse lag es
nahe, mir die Text-Übersetzungen für die USA Beitrage/Serien
anzutragen, das ging dann nach ganz kurzer Zeit quer durch den
Garten- von Sport über Unterhaltung zu Kindersendungen, von
Englisch über Italienisch zu Spanisch - es war eine Pracht, machte
einen höllischen Spass, da vielseitig, mit enormem Zeitdruck und
stets neu - neue Sendungen, neue Themen, neue Ideen. Er hatte einen Übersetzer-Kollegen
gefunden, Carsten Schaefer, der genauso schnell und fleissig, unermüdlich
und mit Feuereifer bei der Sache war. Wir verbrachten unsere Tage
und Nächte tippend vor unseren Computerbildschirmen,
nebendran der Fernseher mit Viedeorekorder, Originalbänder
mit Timecode, literweise Kaffee für mich und und tippten wie süchtig
unsere Skripte. Dazu kam dann wie aus heiterem Himmel das Vertonen
mit Sprecherkollegen Holger Kass, Monika Gerganoff, Crock Krumbiegel
- die Truppe wuchs und wuchs - Augen zu und durch, Malcolm in der
Regie, stoisch und mit unerschütterlichem Vertrauen in uns. Dann
wagte ich es, Malcolm ein Konzept zu zeigen, dass ich ca. ein Jahr
zuvor ausgearbeitet hatte (in Anlehnung an "America's Funniest
Home Videos") und, siehe da, wie der Zufall es manchmal will,
so ein Konzept war bereits gesucht und ich war damit zusätzlich
auch noch plötzlich Produktions Assistent und kreativer Kopf von
"Bitte Lächeln"- fand die Musiker für den Titel, schrieb
Texte, vertonte mit den Kollegen (die ersten 10 Folgen sind immer
noch zum Schreien komisch-verschiedene Dialekte der einzelnen
Sprecher, herrlicher Spass ).
Nicht nur Malcolm war so offen für
neue Dinge und 'abenteuerlustig- die gesamte Chefetage -Wolfgang
Fischer, Jochen Kröhne, HDZ (ja, auch HDZ!), Christian Brandel, später
kamen dann auch Gerhard Zeiler und die Kathi Zechner dazu - um nur
einige zu nennen- war aus diesem Holz geschnitzt. Das beflügelte.
Das steckte an. Wir wuchsen über uns selbst hinaus. Das mag albern
klingen, ist aber im Grunde der "Seelensaft" von TELE 5 -
jeder musste und durfte einfach so ungeheuerlich vielseitig sein, es
war der Anfang einer neuen TV Ära, vieles noch nicht erprobt, viele
Imponderabilien, plötzliche, drastische Änderungen - schnell
sein, schnell denken, probieren wollen, ungeheuer arbeitswütig sein
und, vor allem, handeln, hiess die Devise. Vom Techniker, über den
Hausmeister, die "Küchenfee", zum Moderatoren, zum
Redakteur, Autoren, bis zu den 'oberen Etagen" (Wörtlich zu
nehmen) - wir waren TV Pioniere, frisch, fröhlich, mit Volldampf
voraus - keiner bremste, keiner lähmte, und das kam beim Zuschauer
auch so an. So erkläre ich mir die immer noch währende Liebe der
damaligen Zuschauer. Es war keine Zeit, um Verantwortung
abzuschieben, man musste einfach zusammenhalten, zusammenarbeiten,
zusammen in 'unserer' Villa Kunterbunt. So viele grundehrliche,
aufrichtige, aufrechte, liebenswerte, kreative, fähige, fleissige
Menschen trafen dort aufeinander.

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Ich hatte
nie einen offiziellen, schriftlichen Vertrag mit TELE 5. Das war
nicht nötig. Ich habe es in meiner ganzen Zeit bei TELE 5 nur mit Ehrenmännern
und Ehrenfrauen zu tun gehabt, deren Wort fraglos galt. Als 'alles
vorbei' war, begriff ich lange nicht, warum Günther Degenfelder,
der gute Freund, so drängte, dass ich einen schriftlichen Vertrag
mit DSF bekam - leider wurde er, bevor er das für mich durchsetzen
konnte, "entfernt"...So wie viele andere und auch ich dann
letztendlich auch schamlos und mit teilweise Mafiamethoden und höchst
unehrenhaft (für DSF), wie Möbelstücke 'entsorgt wurden. Ein Arbeitsverhältnis
"auf Vertrauensbasis " und ohne "Netz",
"Handschlagverträge", die gelten, wie es bei
"uns" TELE 5 Gang und Gäbe war, gibt es sonst nirgendwo.
Vielleicht in Urgrauer Vorzeit einmal. Sicherlich gab es auch
Unstimmigkeiten ab und zu - aber immer war es möglich, wohlwollend
miteinander zu sprechen, evtl. Missverständnisse aufzuklären und völlig
zu beseitigen. Selbst "Mütze" (ich wage seinen 'geheimen'
Spitznamen nur zu erwähnen, weil ich mich dabei hinter meines
Vorredners, Jochen Kröhne's, Rücken verstecken kann! Lach!) selbst
unser, wegen seiner lautstarken und hochgradig 'direkten'
Explosionen schwer gefürchteter H.D.Z. (Hans Dieter Zoller) war
immer für ein klärendes ,aufrichtiges Gespräch offen - man durfte
nur nicht vergessen, dabei ruhig zu bleiben und zu atmen.....
Nie habe ich es erlebt, dass jemand kaltherzig,
"Napoleonisch" oder unmenschlich war. Im Gegenteil- ich
habe heute noch das Büchlein, ich glaube, das war die Idee vom
Jochen, (oder war es Gerhard Zeiler???), in dem alle, aber auch alle
Mitarbeiter mit Foto und Kurzbeschreibung verewigt sind,
mit dem Titel "Die Stars von TELE 5" - was für eine
liebenswerte, lobenswerte Art, den Mitarbeitern vor und hinter den
Kulissen anerkennend auf den Rücken zu klopfen. Umarmen möchte ich
sie alle. Beruflich bin ich mit TELE 5 'aufgewachsen' - obwohl ich
den TV Einstieg ja durch FiB, den ersten privaten Sender, als
sogenannte "Frau der ersten Stunde" hatte. Naja, "Mädel"
wäre wohl richtiger!:0))
Die Schattenseite dieses geförderten Urvertrauens, dieser familiären
Atmosphäre (jeder duzte jeden, egal welche Position) wurde mir persönlich
erst stahlhart bewusst, als abrupt alles ein Ende nahm. Als plötzlich
alles tatsächlich vorbei war und die 'richtige Welt' mit brutalem, gefühllosen
Krallengriff alles auseinanderriss - sich, quasi, der Erdboden öffnete
und die verschluckte, die sich nicht bewusst genug und schnell genug
waren, sich irgenwoandershin zu retten oder mit auf das RTL2
"Schiff" zu springen . Wir wussten, ich wusste, lange
nicht, dass TELE 5 tatsächlich 'verkauft' worden war. Bis Kirch übernahm.
es war eine Art "schleichender " Vorgang. Wir hatten noch
ein wunderherrliches, bemerkenswertes Abschiedsfest (alle unsere
Feste waren irgendwie bemerkenswert) - dieses wurde "Starnight"
betitelt- zu dem viele der TELE 5er (inclusive Jochen Kröhne, der
offiziell ja bereits zu dem Zeitpunkt seinen Abschied genommen
hatte) auf einer Freibühne ein wahres Feuerwerk an Beiträgen,
gesungen, gespielt, gereimt, beitrugen.
Es gab, so würde ich sagen, 3 Hauptreaktionen auf unser
"Ende"
a) Ungläubigkeit und "Kopf in den Sand- unser TELE 5 Papa
wird's schon richten"
b) Panik und rein in's Rettungsboot und
c) absolut bittere Verzweiflung, Depression, Hilflosigkeit.
Vor lauter Entsetzen über die Vorgänge hatte keiner daran gedacht,
dass unsere Profi Kameras keine 20 Meter entfernt vom Festgeschehen
in den Studios bereitstanden- niemand drehte mit! Bis auf- ja, bis
auf 2 findige TELE 5er, deren Namen ich schändlichsterweise einfach
nicht abrufen kann im Moment, die ihre brandneuen, handgehaltenen
Videorekorder zum Ausprobieren mitgebracht hatten. Ich gehörte zur
Reaktionskategorie a) und war durch mein 'denial' ruhig und besonnen
genug, um die beiden Helden um ihre Bänder zu bitten und , mit
Hilfe der Editoren (Inge Copp), Tonleute (Markus Kroos), Archiv (),
Matisse (Barbara Simon und Conny Sauter), MAZ-Gang "Gang"
einen Zusammenschnitt mit Geschichte zu 'basteln' (Alle Mitwirkenden
und Helfer sind mit Namen im Abspann aufgeführt - hej, ich bin
blond, was soll ich sagen, aber alle, alle lieben Gesichter sehe ich
vor mir) , "Starnight" mit dem Titel und der Geschichte
eines kleinen grünen Planeten, der ein Spaceship in Form unserer
Villa Kunterbunt auf die Erde nach München schickt- bis die Aliens
kommen und wir wieder in's Weltall flüchten müssen... erzählt von
Richard Burton, David Essex, und mir (hehehe..) auch Nina Hagen
kommt drin vor - viel herrliches Durcheinander... liebevoll 'abgespaced'
eben... Monty Pythons "Look at the Bright side of Life"
war und ist "unsere" Hymne - ich konnte einige TELE 5er
gewinnen, bei der Vertonung am Ende höchst schräg mitzupfeifen...
Wie ich sie alle miteinander vermisse.
Du fragst, warum ich sagte, TELE 5 sei für diese Zeit "mein
Leben" gewesen?? Ich lebte, atmete, aß, trank (und Ketten
rauchte!) TELE 5 während der Zeit - und genoss jede
Sekunde. Ich war süchtig auf 'meinen' Sender, wie die meisten von
uns. Es gab Tage, die begannen um 5 Uhr früh mit dem Abholen der
NBC Nachrichten, angucken, Interessantes auswählen, dann Schnitt,
texten, vertonen, zum FrühstückTV rasen und noch warm abliefern
(Martin Gross! Herrlicher Mensch!..."Uruguay!" Hahahaha),
raus mit dem bereits ungeduldig wartenden Team in die Stadt,
Interviews zu den neuesten Nachrichten machen, wieder in den
Schnitt, texten, vertonen, abliefern- zurück in die Schellingstr.,
in's Tonstudio (im Tiefparterre, dunkel, Schalldicht, meine 2 Dobies
immer dabei- und keiner meckerte!!)...Sport vertonen, Golf, Sumo,
Wrestling, P.O.P., Bullriders, Non Solo Moda, und und... dann in die
nächste Etage bei HDZ reingucken, die Dispo Crew kurz besuchen,
sehen ob es was zu tun gibt, nächster Stock "Szene
"D", "Bino" Charlotte und Ronny Bergmann drücken,
und usw, usw ...ganz oben unter dem Dach dann die
Musikredaktion, Christoph Post und Nanni, Simone Adelsbach und 'Schuschi',
Jochen Bendel ("Doc Ben"), Kaffee.. und wieder runter ,
mit Bändern bepackt bis unter's Kinn, Skripte machen, Vertonen,
Moderationen schreiben für "Sport-Report" mit Martin am
Sonnabend, bis zum nächsten Morgen, Samstag schnell, schnell,
die Bänder von "Coca-Cola Eurocharts" holen, texten,
vertonen, rennen und ab in den "Sendecomputer"- In's
Vorderhaus sausen, Christian Brandel und die "Jungs" (auch
weiblich) in der Sportredaktion heimsuchen, nach oben zu Carmen
Alzner, H-D Kohl, dann das ganze von vorne - oh, wie herrlich,
nichts habe ich bislang wieder so genossen... Meine Tage und Nächte,
Geburtstage, Feiertage, Weihnachten, Neujahr - wie viele von uns
verbrachte ich sie (mit Genuss!) im Schnitt, Ton oder in irgendeinem
der Redaktionsräume an irgendetwas arbeitend. Und, wenn nicht
direkt im Haus, so doch mit TV immer irgendwo im Blick, Handy im
Griff, um evtl. die (im Kopf gespeicherte ) Nummer der Senderegie
anzurufen, falls Mick, der lockenköpfige Nachtmensch und
aspirierende Musikus, doch wieder einmal eingeschlafen war und wir
Schwarzbild sendeten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals jemanden über
'zuviel Arbeit' jammern gehört zu haben (der eine oder andere höchstens
als Effekthascherei, aber nie ernsthaft) - und doch waren wir rund
um die Uhr auf Abruf bereit. Ein Team eben.
Ich glaube, für einen 'nicht-TELE 5er' klingt das sicherlich unrealistisch
und Vergangenheitsverklärt - im Geiste höre ich, wie Christoph
Treutwein, mein "bester Autorenkollege von allen", mit
mir darob gröbstens spöttelt - so und nicht anders erinnere ich
mich . Und an so viele lustige Begebenheiten, Anekdötchen.... und
so viele liebe, wundervolle, hochbegabte Menschen... doch darüber
im nächsten Teil mehr...
Uli
Fesseler - 12.01.2002
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