Uli's TELE Bim: "Klappe, die 2: Unser allerletzter Tag als TELE 5"

....also, wo war ich nun stehen geblieben.....hm...der 'letzte Tag"....
es gab so viele "Letzte Tage" in der Zeit, da die Schergen von Kirch beim DSF ja beinahe täglich jemanden abrupt entfernten oder zumindest ihr Mütchen kühlten. Unsere "Führkräfte" waren ja weg, mieses Verhalten wurde nicht geahndet und nun hielt die Menschenverachtung, besonders gegen Frauen, Hof in Ismaning.

An diesem bestimmten, dem letzten TELE 5 Morgen ging ich, wie zumeist, zu Fuß aus meiner Wohnung in der Destouches Str in die Schelling, zur Hausnummer 44.. Meine Hündchen brav dabei , ein paar Stunden im "Ton" saßen sie ja reglos 'auf einer Backe" ab. Und inzwischen hatten sich auch so ziemlich alle daran gewöhnt, dass da zwei "Höllenhunde" still und stoisch auf dem Boden der Regie lagen. Die Morgenluft war beißend und knackig wie ein frisches, zu sehr gestärktes Oberhemd. Rauhreif vorm Gesicht. Das Atmen durch die Nase schmerzte. Schmetterlinge im Bauch, wie vor einer großen Seereise. Im Sender war alles wie immer. Geschäftig drehten die Techniker an Knöpfen, es wurden Kabel geschleppt, Telefone beantwortet, irgendjemand braute Kaffee, unsere Cafeteria mit Maria, der Küchenfee, war bereits geschlossen. Elektrizität surrte unter der Haut und dennoch lief alles plangemäß. Vertonungen für Sendungen, die das DSF übernehmen würde, die Nachrichten stündlich. Vorgesehen bis Mitternacht. Juliette (Marischka) hatte bereits tränenreich Abschied gehalten, ich hatt's als  "Grottenolm" in der Tonkabine völlig verpasst. Nachmittags gegen 4 war ich fertig, es begann zu dämmern. Prickelnde, zittrige Spannung lag in der Luft. Ratlos, rastlos, fast fahrig, ob der ungewohnten Untätigkeit und des Wissens um das endgültige Aus, das unwiederbringliche, berechenbare , stete, verlässliche Schaffen. Das bedrohliche , wachsende Nichts, wie in der Unendlichen Geschichte, begann, sich unter unseren Füssen zu öffnen. Auch jetzt noch fühle ich die ungute, knisternde Spannung, wie sie, mit kleinen elektrischen Schlägen in meine Hände, in die Gelenke kriecht, sie zittern lässt und es schwer macht, meine Finger zu bewegen.

Irgendjemand hatte eine Flasche Schampus geöffnet und jeder bekam "einen wenzigen Schlock". Das sollte eine Lawine auslösen. Inzwischen hatten alle einen "ondulierten" Blick und zumindest leicht gerötete Augen. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, befand sich ein, im Vergleich recht neues, Cafe, das ich bereits mehrfach für meine morgendlichen Glossen oder Buchtrailer im Frühstücks TV missbraucht hatte. Man war dort also bereits "Kummer" gewöhnt. Die Jungs von der Bühne schoben 'einfach' einen unserer grossen Monitore rüber, stellten TELE 5 ein und drehten die Lautstärke hoch. 
Wir sendeten bereits 'aus der Dose' an unserem allerletzten Tag, denn inzwischen waren unsere Räume in  Ismaning bereits nach Unterföhring in die Trabanten-Anlage von Kirch verlegt worden. Die weiterbeschäftigten TELE 5ler waren entweder in Köln bei RTL2 in "Sicherheit" oder in geringer Zahl beim DSF in Unterföhring auf schwankenden Planken - kaum einer mehr in unserer Villa Kunterbunt. Dennoch versammelten sich, wie durch eine geheime Absprache, mit jedem Sende-Ende nach und nach immer mehr TELE 5ler im Cafe gegenüber - haltsuchend, vielleicht sogar eine Art von Geborgenheit in der familiären Gruppe. Für uns alle stand die Existenz auf dem Spiel, ein ungewisse Zukunft - für die, die diese Ängste nicht haben mussten, wohl schwer verständlich.

Uli Krenn, unser stets gebügelter, geschlipster, hoch-akurater und polierter Nachrichten Sprecher, joggte also nun stündlich über die Strasse, um seine Sendung zu machen. Wie üblich und gewohnt, tat er das auch, akkurat, professionell, sachlich und ohne Fehl und Tadel. Nach der Sendung joggte (und im Verlauf des Abends jagte) er jeweils wieder zurück in den 'sicheren Hafen der Familie", zu uns, in's Cafe. Und zum Prosecco. 
Kaum rannte er los, stürmten wir wieder zum Monitor, drehten die Lautstaerke hoch und erwarteten, hofften voller Vorfreude und Spannung  auf einen Versprecher oder für Uli Krenn untypischen Verlauf der sonst so trockenen Nachrichten -  sein Schlips hing mit jedem Mal mehr "nunterwärts schief", sein Gesicht glänzte, die Frisur stand auf Sturm und die Knöpfe am inzwischen etwas knitterigen Hemd spielten "hasch mich" mit den Knopflöchern ...unsere "Maske " hatte zu tun, ihn wieder einigermaßen 'glatt zu bügeln". Und jeder ,auch noch so winziger "Ausrutscher" von ihm wurde mit begeistertem Applaus quittiert und er bei der Rückkehr wie ein Held gefeiert.
Von mal zu mal wurde er lockerer. Und wir mehr und mehr ausgelassen. Uns fehlte völlig 'die sittliche Reife" und das tat gut. (Feuerzangenbowle lesen, zum besseren Verständnis). Die Besitzer des Cafe's hatten den Umsatz des Jahres.

In den grauen Morgenstunden erst, TELE  5 war nun nicht mehr, warfen uns die Cafebesitzer hinaus. Das sollte die Stimmung nicht trüben, wir waren noch lange nicht bereit, loszulassen - ab ging's in's Babalu (Türkenstrasse, glaube ich). Weiter betäuben. So viel gelacht und geweint gleichzeitig habe ich, glaube ich, seitdem nicht wieder. Und, ich wage zu behaupten, auch keiner der zu dem Zeitpunkt Anwesenden. Wir schworen einander saumselig, aber doch mit einem Funken Tiefgang, stets in Kontakt zu bleiben, uns nicht, von Zeit, Raum oder Mensch, auseinander drängen zu lassen. "Ach Mensch, wieso haben WIR eigentlich nie zusammen irgendwas gemacht?" Hörte ich von allen Seiten. Wir hatten alle zuviel zu tun, und so viel hätte es noch zu tun gegeben. Obwohl es ein so endgültiger, tieftrauriger, elender Tag war, war er auf eine wohltuende Art unvergesslich - denn das Gefühl der Verbundenheit war größer denn je.
Ich bin dann 2 Tage nicht mehr in's Studio gegangen, weil ich Angst hatte vor dem großen, leeren, verwaisten Haus mit den toten Augen, das einmal unsere Villa Kunterbunt gewesen war.
Und dann sollte es erst richtig rund gehen. Die Kirch-Zeit begann gnadenlos, ungezügelt und mit Volldampf.

Uli Fesseler - 13.07.2003