Zu viele TV-Gameshows wecken Werbezweifel

Rekord: Noch nie gab es im deutschen Fernsehen so viel Gewinnspiele wie heute. Unter Werbern geraten Gameshows allerdings wegen ihrer Häufigkeit und ihrer Qualität in die Diskussion.

Sendung Sendeinhalt Gewinn Sender Sendezeit Zuschauer * Sendestart
Stadt Land Fluß Rateshow um geographische Begriffe Geld u. Waren Mo-Sa, 20.00 250.000 5.10.1990
Ruck Zuck Team-Spiel um Worte und Begriffe Geld Mo-Sa, 19.30 260.000 11.1.1988
Hopp oder Top Quizshow Geld u. Waren Mo-Sa, 20.25 260.000 31.12.1990
Koffer Hoffer Koffer-Versteigerungs-Show Geld Do, 20.15 1.120.000 26.51991
Ein Tag wie kein anderer (1) Reisequiz Reise So, 19.10 3.120.000 Februar 1984
Klack Kinder-Spielshow Spiele Sa, 9.30 510.000 Februar 1988
Riskant Spiel um Wissen, Tempo und Geld Geld Mo-Fr, 16.40 1.070.000 3.9.1990
Sterntaler Spielshow "aus dem All" Geld Mo-Fr, 17.45 990.000 12.3.1990
Tutti Frutti Erotische Spielshow Geld Fr, 23.00 1.880.000 21.1.1990
Der Preis ist heiß (1) Spielshow: Preise raten Waren Mo-Fr, 17.10 1.710.000 2.5.1989
Glücksrad Spielshow: Kreuzworträtsel Waren Mo-Fr; 19.15 2.880.000 November 1988
Bingo (1) Spielshow: Quiz Geld Mo-Sa., 18.15 ca. 1.000.000 (2) 18.2.1991
Krypton Faktor Supermänner/Superfrauen-Spielshow Geld Do, 20.00 1.240.000 (2) 4.4.1991
Zapp Zapping-Quizshow Geld und Waren Sa, 16.15 510.000 5.1.1991
Drops Kinder-Spielshow Waren Sa, 16.30 750.000 (2) 7.4.1991
Salvatore RTL plus -  Kein fester Sendeplatz, jeden Abend einsetzbar. (Karten-, Nuß- und Kettenspiele per Telefon)
Outburst RTL plus - Kein fester Sendeplatz, jeden Nachmittag einsetzbar. (Spiel um Worteober- und -unterbegriffe)
MMM/Hamburg, Sabine Peter. Basis: Senderangaben, Eigenrecherche.
*Durchschnittliche Zuschauerzahlen ab sechs Jahren im ersten Quartal 1991.
(1) Zuschauerbeteiligung ist möglich durch Telefon-Aktionen ("Ein Tag wie kein anderer"), Medienpostkarte ("Der preis ist heiß") und Spielkarte ("Bingo").
(2) Durchschnittliche Zuschauerzahlen seit Start, Angabe: Sat 1.

Gameshows sind die Boom-Sparte der Fernsehunterhaltung. Der programmliche Enkel des ehrwürdigen Quiz, ursprünglich im Radio in den USA erfunden und dann ins Fernsehen übernommen, rückt zunehmend ins Zentrum der planerischen Diskussion. An den hohen Einschaltquoten hat das in den meisten Fällen bisher nichts geändert. "Das Einheitsvergnügen des Jahres 1991 heißt Gameshow", kennzeichnete Dr. Gerd Hallenberger von der Universität Siegen eben zum Medienforum der Funkausstellung in Berlin die Situation.

Hallenbergers Abriß zeigt auch die Fernsehunterhaltung im Wandel. "Das klassische, wissensorientierte Quiz verschwand fast völlig aus den Fernsehprogrammen." In Deutschland hatte das ZDF zuletzt 1974 mit dem jetzt vor der Pension stehenden "Großen Preis" noch einmal Erfolg mit einem Quiz alten Stils. Fortan aber entstanden Begriffsspiele, die weniger Wissen, sondern eher Schlagfertigkeit und Kombinationsgabe erforderten. Eine Erfindung der privaten Sender gar ist diese Art des Fernsehspiels aber nicht. Alfred Biolek etwa propagierte schon 1985 seine neue Produktion "Mensch Meier" als Gameshow.

Sie unterschied sich dennoch von der typischen heutigen Art: Die nämlich kommt regelmäßig, von Werbung unterbrochen bzw. durchsetzt, und dauert im Regelfall weniger als eine halbe Stunde. Und weil dort, wo gewonnen wird, auch Raum für viele Sachpreise ist, wird immer häufiger auch das Produkt an sich der Held der Sendung. Viele Werber sehen das als Vorteil an einesteils der günstigen TV-Produktionskosten wegen, anderenteils aber auch, weil selbst Produkte mit geringem Zuschauerinteresse in Sendungen mit redaktionellem Charakter eine Chance haben.

Inzwischen hat das Oberverwaltungsgericht in Koblenz entschieden, daß Gameshows wie "Glücksrad" als Dauer-Werbesendung gekennzeichnet werden müssen - und damit voll anrechenbar auf die höchstzulässige Werbedauer sind. Die Einsicht der Richter: Gameshows wie "Glücksrad" und "Der große Preis" seien nämlich trotz der Verknüpfung mit programmlichen Elementen "in ihrer Gesamtheit echte Werbesendungen" und verstießen gegen die deutliche staatsvertragliche Pflicht, Werbung vom Programm zu trennen. Das trifft die Sender, die für weibliche (Gameshow-)Zielgruppen zu wenig Programm zur Verfügung hatten. Damit entstand die programmliche Lücke, die geeignet war, mit maßgeschneiderten Shows die Werber stärker auch am Programm zu beteiligen.
Zunehmend gibt es statt der üblichen Geldgewinne reichhaltig präsentierte Waren zu gewinnen - "die Plünderung eines Kaufhauses im Fernsehwege" mokierte sich jüngst bei ihrem Mediatreff die ARD. Dabei ist sie eigentlich der Erfinder der deutschen Gameshow und schiebt nun auch nach den Erfolgen der Privaten rasch noch zum Jahresanfang mit "Hast du Worte?" eine zweite ins Vorabendprogramm. Andere Wege gehen die privaten Veranstalter, die nicht nur ihre Gameshows durch Werbung unterbrechen, sondern auch Warenpreise zum Quiz-Gegenstand machen.

Gameshows erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei Werbern nicht nicht nur wegen der hohen und täglich relativ  konstanten Einschaltquoten. Gegenüber der herkömmlichen Spot-Werbung entfällt hier häufiger auch das von Werbern so gefürchtete Zapping-Umschalten. Verzichtbar sind Werbespots gleichwohl nicht. Zwar machte im Vorjahr eine Studie von Marketing Horizon über solches Productplacement bei "Der Preis ist heiß" von RTL plus am Beispiel eines Essigreinigers deutlich, daß die Produkt-Erinnerung nach einer Spielshow höher als nach einem Werbespot sei. Der Frankfurter Markt-Media-Forscher Peter Blähser warnte allerdings erst jüngst: "Diese Sonderformen sind kaum in der Lage, Marken-Images aufzubauen oder zu erhalten."

Die"elektronische Anzeige" als neues Konsum-Erleben

Werber mögen bislang Gameshows auch deshalb, weil die redaktionelle Begleitung eine größere Aufgeschlossenheit der Zuschauer erwarten läßt und das Produkt als Hauptdarsteller zum Konsum-Erleben animiere. Da überdies aber die vergleichsweise günstigen Einstiegspreise solcher Shows auch Firmen mit geringem Media-Budget überhaupt Fernsehwerbung erlauben, finden sich dort auch klassische Printkunden wieder. Auf sie zielt denn auch RTL plus mit einer neuen Werbesendung "Das springende Komma" einem fünfminütigen TV-Anzeigenrate- und Gewinnspiel für die ganze Familie. Es soll "die elektronische Anzeige" werden und präsentiert ausschließlich Anzeigen- und Plakatmotive.

Den Erfolg von gewinnorientierten Gameshows beim Zuschauer und die damit verbundene größere Akzeptanz von Werbung erklären Psychologen mit dem höheren Grad von Identifikations-Möglichkeit. Spiele und Spannung nämlich sind britischen Zuschauer-Beobachtungen zufolge mehr als anderes geeignet, die Aufmerksamkeit aufs Fernsehgerät zu konzentrieren. TV-übliche Nebentätigkeiten lassen bei Gameshows nämlich nach, auch das Umschalten per Fernbedienung wird seltener. Der Zuschauer kann beim Kandidaten mitleiden und lampenfieberfrei die Selbstbestätigung finden, es besser gewußt zu haben.